Doing universality
Die Sammlung Bührle und das Kunsthaus Zürich
Eigentlich ist dazu schon alles gesagt, was es zu sagen gibt: Von der mangelhaften Provenienzforschung über Fantasien des Standortmarketings bis zum tragischen Ende einer Berufskarriere. Von der verpassten Chance für die Sache der Kultur war bislang nur wenig die Rede.
Die Spätmoderne ist von zwei sehr gegensätzlichen Kulturbegriffen geprägt, wie Andreas Reckwitz 2017 in seiner Studie «Die Gesellschaft der Singularitäten» aufgezeigt hat: Die Hyperkultur einerseits steht dem Kulturessenzialismus andererseits gegenüber.
Die Hyperkultur lebt von der Pluralität von kulturellen Gütern, die auf globalen Märkten zirkulieren und die als Ressourcen für die individuelle Selbstentfaltung zur Verfügung stehen. Als «postmoderne Beliebigkeit» hat alles gleichwertig nebeneinander Platz: italienisches Design, veganes Essen ebenso wie eine angesagte Netflix-Serie oder ein Tribal Tattoo. Die Hyperkultur ist individualistisch ausgerichtet, im Mittelpunkt steht der einzelne Mensch mit seinen eigenen Interessen und Wünschen.
Beim Kulturessenzialismus geht es um die kollektive Identität von Gruppen mit Hilfe kultureller Überzeugungen. Diese Grundstruktur teilen sich Schneeschuhwanderer, religiöse Fundamentalisten mit Trychlern oder der Fridays for Future-Community. Ihnen gemeinsam ist Abgrenzung von den Anderen: Kultur erscheint als eine Essenz, Zeit und Raum, also die Geschichte und der Herkunftsort, sind zwei wichtige Pfeiler, auf denen diese Kultur des Eigenen beruht, schreibt Andreas Reckwitz.
Für beide Kulturbegriffe gilt, dass ihren Objekten und Ereignissen nicht nur Bedeutung und Wert zugewiesen werden, sondern auch, dass es sich bei diesen Bedeutungen und Werten um etwas Besonderes handelt. Kultur war schon immer die Domäne des Einzigartigen, des Singulären, das sich dem Zweckrationalen entzieht. Dementsprechend spielen Affekte und Emotionen eine wichtige Rolle: Die Hyperkultur sieht im Kulturessenzialismus eine Bedrohung der offenen Gesellschaft, während der Kulturessenzialismus in der Hyperkultur nur die Dekadenz des Westens erkennt.
Ästhetik und Ethik
Das Besondere steht im Gegensatz zum Allgemeinen. Allgemein meint, was normativ für jeden gilt und kollektiv alle umfasst. Die Sammlung Bührle ist etwas, zu dem sich beide Seiten verhalten und verständigen könnten – als Arbeit am Allgemeinen in Form der Erinnerungskultur und der Zukunftsgestaltung. Welchen «Wert» hat die Sammlung Bührle als Teil unserer Geschichte? Und welche Bedeutung hat sie für die Stadt Zürich?
Müsste es nicht die vornehmste Aufgabe des Zürcher Kunstgesellschaft sein, diese Arbeit am Allgemeinen anzustossen und zu moderieren? Kultur, das war schon immer der Kitt, der Menschen zusammenbringt und Gemeinschaft bildet.