Warum spiele ich Jazz?
Übung macht den Meister
Jeden Samstag verbringe ich wenigstens drei Stunden in meinem Studio. Hier sind die Saxophone, Regale voller Noten und eine Verstärkeranlage für die Playalongs, zu denen ich spiele. Manchmal nehme ich auch die Querflöte mit, und zuhause steht ein elektronisches Saxophon, das ich rechtzeitig vor dem zweiten Lockdown angeschafft habe. Dazu kommen die Proben mit der Big Band Uster und für gelegentliche Gigs in anderen Formationen. Unter der Woche kommen so weitere fünf, sechs Stunden zusammen, in denen ich Jazz spiele. Warum? Und wozu?
Wer musiziert, der übt ein Handwerk aus. Dazu gehört nicht nur die technische Beherrschung des Instruments, sondern auch die Fähigkeit, dieses Instrument richtig einzusetzen. Denn Musik hat stets eine äussere Form und eine innere Struktur, die es zu beachten gilt, wenn man sinnvoll musizieren will.
Wer musiziert, der lernt auch mit den Gefühlen umzugehen, die mit dem Üben einherkommen: Momente der Frustration, der Verzweiflung, der freudigen Überraschung. Natürlich spielt auch Talent eine Rolle, aber hey, geschenkt. Ohne Fleiss kein Preis. Das Ziel ist immer dasselbe: Ein Stück Musik so spielen zu können, dass es groovt.
Nun geht Jazz über geschriebene Musik hinaus. Es ist eine Sache, das zu reproduzieren, was in den Noten steht. In der Form und entlang der Struktur zu improvisieren, ist dagegen etwas ganz anderes. Genau darum geht es aber im Jazz. Und es ist egal, ob Form und Struktur schwierig (wie in Giant Steps) oder einfach (wie beim C-Jam Blues) sind – es kommt darauf an, was man daraus macht.
Ein Jazzstandard ist nur das Material, aus dem etwas Eigenes entstehen soll. Wer sich darauf einlässt, der muss nicht nur zur Kenntnis nehmen, was guten Musikern im Laufe der Zeit so alles über den jeweiligen Song eingefallen ist. Man ist selbst an der Reihe; es gilt, eine eigene Handschrift zu entwickeln: Wie klingst Du? Das ist eine ziemliche Herausforderung – aber auch ein grosses Glück.